Rückbau des Kolosses – die KdF-Ruine (1946-1949)
Auf dem Gelände entstanden kleinere Betriebe wie Schneidereien, Schuhmachereien und Unternehmen für die Holzverarbeitung. Die Lebensumstände waren miserabel. Die zumeist aus den Ostgebieten stammenden Menschen kamen überwiegend in den bereits vollendeten Reichsarbeitsdiensthäusern unter. Auch der lediglich bis zur dritten Etage ausgeführte südlichste Block des Kolosses wurde bewohnbar gemacht. Für viele Flüchtlinge wurde er zum Leidens- und Sterbeort.
Leid und Tod in Prora
Erika P., 1945 als junges Mädchen mit Mutter und Schwester aus Ostpreußen geflohen, wochenlang, so ihre Erinnerung, im heute sog. Block 0 in Prora untergebracht, kann ihre Erzählung kaum zuende bringen. Zu sehr beeindrucken Sie noch immer die Bilder vor dem inneren Auge. „Was sagen Sie?“, korrigiert sie mich auf Anfrage nach „einigen Todesfällen“ in Prora nach dem Krieg. „ja Dutzende, Dutzende, an die Hundert waren es! Morgens wachte man auf und etliche jene, mit denen man sich am Abend niedergelegt hatte, waren am Morgen nicht mehr da. Es war schrecklich!“
Währenddessen war der ehemalige KdF-Rohbau ein Objekt der Reparationsdemontage. 1947 wurden weite Teile des Kolosses zur Plünderung freigegeben. Auch Block II büßte Teile seiner Außenwände ein. Mancherlei wanderte in die Eigenheime der Insel.
Gedankenspiele begannen, was aus der unvollendeten Hotelanlage werden könnte. Ein Ferienheim für die Werktätigen vielleicht oder gar ein „Industriezentrum der Insel Rügen“, stellte die Zeitung „Der Morgen“ im Oktober 1948 zwei Meinungen gegenüber. Zu jenem Zeitpunkt begannen Kommandos mit der Sprengung des südlichsten Blocks sowie der nördlichen Festplatzrandbebauung. Auch die Blöcke nördlich von Block V wurden weitgehend zurückgebaut.
Umwidmung der Ruinen mit Gründung der DDR (1949-1950)
Zehn Jahre nach Baustopp, im Jahr 1949, wendeten der sogenannte „Kalte Krieg“ und die Gründung der sich feindlich gegenüberstehenden beiden deutschen Staaten das Blatt. Während ein erstes zentrales Pionierlager in den Wäldern rund um den Koloss ausgerichtet wurde (historische Aufnahmen zeigen die stark demolierten, zum Teil abgetragenen Außenwände der Blöcke) war die Militarisierung des Geländes beschlossene Sache. Noch in demselben Jahr wurde eine erste Polizeibereitschaft mit rund 1000 Mann von Kühlungsborn nach Prora verlegt. Der inzwischen schlicht „Prora“ genannte Ort war auf dem Weg in eine neue Zukunft - fernab des Seebad-Gedankens.
Schöne Ferien
„Es muss dies wohl das erste Kinderferienlager in der DDR gewesen sein. Die Kinderorganisation der Jungen Pioniere war noch nicht ein Jahr alt, sie war am 13. Dezember 1948 gegründet worden. Und die Deutsche Demokratische Republik stand erst kurz vor ihrer Gründung am 7. Oktober 1949. Deshalb sehen wir unter all den Fahnen noch nicht eine einzige schwarz-rot-goldene (...) Die Delegationen aus allen Landesteilen führten Schilder mit, auf denen stand, aus welcher Stadt oder welchem Gebiet sie kamen. (..) Wer waren die Leiter und Betreuer? Bei dem Modellcharakter des Sommerlagers kann man wohl annehmen, daß es vor allem Mitglieder der am 7. März 1946 (neu) gegründeten Freien Deutschen Jugend (FDJ) waren. Heute, aus der historischen Entfernung von einem halben Jahrhundert, erkennen wir deutlicher die Ähnlichkeiten in den Riten zwischen Hitler-Jugend und FDJ. Fahnenappelle, Aufmärsche, die jetzt „Demonstrationen“ und „Kundgebungen“ genannt wurden, auch Ähnlichkeiten in den Organisationsstrukturen wurden damals offenkundig von vielen nicht hinterfragt. Das waren die üblichen äußeren Formen politischer Organsationen jener Zeit, nicht nur in Deutschland. Dass die politische Orientierung eine grundsätzlich andere war, sollte man bei allen äußeren Ähnlichkeiten nicht übersehen. (...) Der Ort, an dem dieses Sommer-Zeltlager abgehalten wurde, befand sich auf dem Gelände des halbfertigen KdF-Seebades aus der Zeit des Dritten Reiches in Prora auf Rügen, und zwar landseitig hinter der geplanten Festhalle, also dem Mittelpunkt der beiden Gebäudereihen.