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© Bemmann Sammlung Proraer Bausoldaten
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Nördlicher Abschnitt

Bilder oben: Block V um 1950 und 2020. Die auf historischem Gelände stehende neue Tafel macht nicht, wie seit einem Jahrzehnt gefordert, auf die Geschichte aufmerksam, sondern auf den Küstenschutz. Geschickter Schachzug. Wer wollte gegen diese Tafel aufbegehren?

Seit 2005 baten Zeitzeugen aus der früheren DDR immer wieder um Gehör ihrer Geschichte. Nicht nur die der Repression, sondern auch der kirchlichen Friedensbewegung, des NEIN-Sagens, der Kreativität der DDR-Nischen. Doch dessen ungeachtet vollzog sich 2009/10 der Bau der Jugendherberge nach KdF-Plänen. Brachial setzte man durch, was auch ökonomisch fragwürdig war: Die allein mit Bezug auf die NS-Vergangenheit vermarktete Jugendherberge fiel mit 400 Betten für 16,4 Millionen Euro halb so groß (statt drei Lichthöfe sollten ursprünglich einmal sechs Lichthöfe ausgebaut werden), jedoch knapp vierfach teurer aus als im Jahr 2003 geplant. Nachdem bereits vernünftige Leute die Unwirtschaftlichkeit angeprangert hatten, wurden 4,9 Millionen aus dem Konjunkturpaket II investiert. 

Heute leben wir mit der Jugendherberge. Und vielfach ist es ein Ort der Freude. Das ist gut so! Doch hätte der Herbergsbau nicht, wie gefordert, Erkennungszeichen aus der wechselhaften Geschichte bewahren müssen? Die Herberge entstand an jener Stelle, die sich für einen authentischen Ort der Aufarbeitung der doppelten Geschichte sowie eine echte Gedenkstätte für die Geschichte der Waffenverweigerer in der DDR geeignet hätte. Das oberste Stockwerk mit zahlreichen Insignien früherer, hier stationierter Soldaten wurde komplett entkernt, obgleich bereits feststand, dass selbst nur drei Lichthöfe für die Jugendherberge zu überdimensioniert geplant waren.  Doch sollte mit der Jugendherberge das politische Signal zur Entwicklung der Anlage nach KdF-Maßstäben gesetzt werden. Das Ergebnis ist heute über ganz Prora hinweg erkennbar: DDR-Relikte hatten lange Zeit keine Daseinsberechtigung. Im geplanten Bildungszentrum sollte das nun korrigiert werden.

2. Artilleriebrigade der Roten Armee

Der einstige KdF-Bau blieb auch im Bereich Block V (vormals Block VI)  ein weithin unvollendeter Torso. Die Nachkriegsgeschichte unterschied sich aber insofern von den übrigen Blöcken, als hier in den nördlichen Lichthöfen eine Truppe der Roten Armee Einzug hielt.

Fallschirmjäger

Das Jahr 1960 bildete den Auftakt für eine neue Geschichte des nördlichen Abschnittes von Block V. Bauarbeiten für eine Luftlandetruppe der DDR – Fallschirmjäger – bestimmten zunächst das Bild. Erst jetzt erfolgte der Ausbau der großen Schlafsäle zu Soldatenstuben.

Pionierbaubataillon Mukran mit Bausoldaten

Im Januar 1982 rückte eine vom Militärstandort Prenzlau (PiBB 32) gestartete LKW-Kolonne (W50) in Prora ein - Vorkommando des in jenem Jahr gegründeten Pionierbaubataillons Mukran mit der angegliederten Baueinheit II, den sogenannten Bausoldaten.

Hof 11 (Jugendherberge)

„Entlang einer Betonstraße liegen zur Rechten eine große Wiese und ein mit Asche und Schlacke bestreuter Sportplatz. Zur Linken erhebt sich ein sechs Etagen umfassendes Gebäude von einer nicht abzusehenden Länge. 

Hof 10 (Jugendherberge)

„Ruhe auf der Stube, Geräusche, die auf schlafen schlußfolgern lassen.“ Selbst solche Lappalien sind in Abhörprotokollen festgehalten, die in der 2. Etage des vorletzten Hofes der heutigen Jugendherberge angefertigt wurden.

Hof 9 (Jugendherberge Haupteingang)

Während der erste Leiter der 2011 eröffneten Jugendherberge Prora sein neues Reich auf Facebook als „Wunderort“ bzw. „schönste Blockigkeit am ostzonalen Meer“ bewarb, quälten sich die Zeitzeugen, sofern sie sich mit ihrer Geschichte nicht bereits in die Nischen der bundesrepublikanischen Gesellschaft verzogen hatten, um die Vermittlung der geschichtlichen Hintergründe der Räumlichkeiten ab.

Hof 8 (Künftiges Bildungszentrum 3. OG)

„Langsam steigerte sich die Stimmung in der Kompanie in eine gefährliche Richtung. Ohnmacht und Wut über die Willkür und Unverfrorenheit, mit der hier geherrscht wurde, trugen in hohem Maße dazu bei. (…) Und dann geschah es. Irgendwer hatte die Initiative aufgegriffen und eine gemeinsame Aktion ausgelöst. “

Hof 8 (Künftiges Bildungszentrum EG)

„Für die Soldaten muß das endlose graue Haus ein Ort der totalen Auslieferung gewesen sein. Prora wie Eggesin galten zu DDR-Zeiten immer als Begriffe für gnadenlosen Drill und endlose Furcht. Einer, ,der den Waffendienst verweigert hatte (...) erzählt, daß es auf der Krankenstation, dem ‚Med.Punkt’ keinen Mangel an ‚durchgedrehten‘ Leuten gegeben habe: “

Hof 7: Spur von Angst und Ekel

Im Hof rechts neben dem künftigen Bildungszentrum führt eine unscheinbare Tür in den ehemaligen Duschsaal hinein – ein braun gefliester Saal aus den 1950/60er Jahren.

KDL - Spur der Unfreiheit

Von dem ursprünglichen Kontrolldurchlass (KDL) von Block V, wie ihn auch die Fallschirmjäger kennengelernt haben, ist nichts übrig geblieben. Und dennoch steht mit der einstigen Rezeption des Jugendzeltplatzes ein ehemaliges Wachhäuschen vor uns:

Mehrzweckhalle - Spur des Widersetzens

Schräg gegenüber dem neuen Eingang steht eine schmucke Halle mit moderner Holzverkleidung und weißgeputzen Wänden. Dröhnten in dieser Halle tatsächlich Maschinen, wie die Architekten vermuteten, als sie im Jahr 2007 davon ausgingen, eine „Maschinenhalle“ zur Mehrzweckhalle für den Jugendzeltplatz Prora umzubauen?