Erich Honecker besuchte Anfang der 1970er Jahre die Technische Unteroffiziersschule (TUS). Quelle Sammlung Harro Schack.  © Archiv Harro Schack

Militärtechnische Schule (MTS)

Das Motorisierte Schützenregiment 29 (MSR-29) zog ab 1969 nach und nach aus Block II aus und bot somit der Technischen Unteroffiziersschule (TUS) Platz. Die später sogenannte Militärtechnische Schule (MTS) verfügte im 20. Jahr ihres Bestehens (1989) in den Blöcken II und III über eine Kapazität von 1.700 Plätzen mit entsprechenden Versorgungseinrichtungen. Bis zu 81 verschiedene Profile und militärtechnische Spezialisierungen konnten hier gleichzeitig ausgebildet werden, wofür eine seinerzeit moderne Lehrbasis mit 130 Lehrklassen, Kabinetten, Lehrwerkstätten, Laboren und 50 Ausbildungsräumen in Technischen Ausbildungszentren zur Verfügung standen.

Jahr für Jahr lernten hunderte junge Männer der DDR, die sich zur dreijährigen Unteroffizierslaufbahn auf Zeit verpflichtet hatten (häufig die Voraussetzung für einen Studienplatz in der DDR), das verborgene militärische Sperrgebiet hinter den Zäunen Proras kennen. Zumeist verbrachten die Jugendlichen knapp ein halbes Jahr in Prora. Dieser Zeitraum milderte den Zustand des Ausgesperrtseins von der übrigen Welt, den die anderthalb Jahre dienenden Grundwehrdienstleistenden empfanden. Und im Unterschied zu anderen Einheiten lernten die Jugendlichen sogar manch Brauchbares für den späteren Beruf. Gleichwohl empfand die Mehrheit der Zehntausende, die diese Schule durchlaufen hatten, diese Zeit als einschneidend oder zumindest als nachhaltig prägend für das weitere Leben.

Von der TUS (1969) zur MTS (1979)

Bekannt ist der Architekt der Prora-Anlage Clemens Klotz, viel weniger bekannt aber die prägenden DDR-Militärs wie etwa der Leiter des Aufbaustabes der Militärtechnischen Schule in den Blöcken II und III Oberstleutnant Protz. Ließ bis dahin jeder Chef einer Waffengattung oder Leiter eines Dienstes im Ministerium für Nationale Verteidigung seine Unteroffiziersspezialisten in irgendeiner Einheit oder einem Lager ausbilden, so zentralisierte die DDR die Spezialistenausbildung. Das versprach die zentrale Heranbildung einer schlagkräftigeren Armee. Ein wesentlicher Grund für den Aufbau der Schule unter der Ägide von Protz lag in der fortschreitenden technischen Entwicklung. Die NVA benötigte qualifizierteres Personal.

Schwierigkeiten beim Schulaufbau

Stabfeldwebel Schreiber, der sich als Küchenchef der neuen Einrichtung am 1. Oktober 1968 als 3. Angehöriger der NVA in der neu aufzubauenden Unteroffizierschule einzufinden hatte, kannte Prora bereits aus früheren Jahren:

Zeitzeugenbericht
„Nach 12 Monaten war ich wieder in der Kaserne, in der ich bereits 8 Dienstjahre verbracht hatte. Die Kaserne glich einer Großbaustelle. Die baulichen Maßnahmen waren weit vorangeschritten. Die großen Schlafsäle, in denen fast 40 Armeeangehörigen geschlafen hatten, waren umgebaut in  kleine Soldatenstuben.“
Zit. nach NVA-Forum

Nach und nach füllten sich die Reihen mit den späteren Fachrichtungsleitern der neuen Schule. Schreiber erinnert sich an mancherlei Schwierigkeiten mit dem MSR-29, das bis dahin den Standortältesten gestellt hatte und dessen Stern in Prora nun allmählich erlosch. So zeigte sich das Team um Verpflegungsoffizier Major Deuble den Neuen gegenüber wenig kulant. An die Eröffnung der Schule hat Schreiber lebhafte Erinnerungen.

Erinnerungen
„Am 01. Dezember 1969 wurde die Technische Unteroffiziersschule feierlich durch den Minister für Nationale Verteidigung mit Namensgebung eröffnet. Im Gefolge des Ministers befanden sich eine große Anzahl Generale und Admirale. In allen Fachbereichen wurde den Gästen die Basis, mit der auf neusten Stand stehenden Ausrüstung gezeigt. Zum Mittagessen wurde ein mehrteiliges Menü angeboten. In Erinnerung ist mir das Zwischengericht geblieben, es wurde: Forelle Blau mit Sahneapfelmeerrettich marinierten Salatherzen und Petersilienschwenkkartoffel gereicht. Die Beschaffung von Forellen war gar nicht so einfach und mit unserem heutigen Angebot nicht vergleichbar. (...) Der Tag war mit viel Arbeit verbunden, aber eine bleibende Erinnerung. Am Abend der Eröffnung der TUS wurden ungefähr 50 Berufssoldaten zum Empfang geladen. In seiner Rede ging der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, auf die wichtige Aufgabe der Ausbildung der Technischen Unteroffiziere ein. Nach einigen Trinksprüchen kam der Minister zu unserer Gruppe. Der überwiegende Teil waren altgediente Berufssoldaten, im Dienstgrad Stabsfeldwebel. Einige waren bereits über vierzig Jahre. (...) Die meisten Probleme waren in der Ausbildung der Grundlagenfächer, aber mit der Militärischen Körperertüchtigung waren Grenzen gesetzt. Erinnern kann ich mich an den Abschluss des 1. Lehrgangs der Berufssoldaten. Einige hatten um gute Ergebnisse gerungen (...), scheiterten aber am 3000 m Lauf und saßen danach weinend am Zieleinlauf. 
Zit. nach NVA-Forum

Forelle Blau mit Sahneapfelmeerrettich

Nach dem Mittagessen, Forelle Blau mit Sahneapfelmeerrettich, folgte am Abend in den exklusiven Räumen des Erholungsheims „Walter Ulbricht“ ein feierlicher Empfang. Unter den Gästen dürfte sich der Kommandeur der Landstreitkräfte der NVA, Oberst Horst Stechbarth (1925-2016), befunden haben, der diese zentrale Ausbildungseinrichtung der DDR maßgeblich auf den Weg brachte. Seiner Erzählung zufolge hatte an diesem Tag jeder Chef aus dem Ministerium seine ihm unterstellte Fachrichtung vorzustellen. Viele Kommandeure anderer Orte erhielten Anregungen für die Vervollkommnung ihrer technischen Basis, etwa der Kommandeur der Offiziershochschule (OHS) der Landstreitkräfte Zittau/Löbau. Ehe jedoch die Schule mit dieser Vorbildwirkung eröffnet werden konnte, war ein geistiger Kleinkrieg zu lösen:

Zeitzeugenbericht
„Jeder Chef wollte ein kleines Königreich behalten, mit der Begründung, dass durch eine zentrale Zusammenfassung die Qualität des mittleren technischen Personals leide. So gab es in der Anfangsphase Schwierigkeiten beim Auf- und Ausbau der TUS. Wir haben dann zu einem Hilfsmittel gegriffen. Im Auftrag von Generalleutnant Weiß gab ich allen Chefs zur Kenntnis, dass jeder Chef für den Ausbau seiner Fachrichtung persönlich verantwortlich ist und zur Eröffnung seine Fachrichtung dem Minister vorzustellen hat. Das wirkte schlagartig! Jetzt begann eine rege Tätigkeit, besonders in Bezug auf die Einrichtung der Lehrklassen und Hörsäle. Es entstand eine hochmoderne Einrichtung. Die sich durchaus, verglichen mit technischen Hochschulen im zivilen Bereich, sehen lassen konnte.“
Zit. nach Horst Stechbarth: Soldat im Osten, 2006, S. 98 f.

Kommandeur der TUS wurde (schweren Herzens) der bisherige Kommandeur der 11. MSD Halle – Oberst Erich Dirwelis (1921-2001). Er gehörte zu jenen Offizieren, die unter Führung der Roten Armee eine Blitzkarriere in der NVA hinlegten. 1949 kam der ehemalige Feldwebel der Wehrmacht aus russischer Gefangenschaft, wo er wohl bereits instruiert worden war für den Aufbau einer neuen Armee; pensioniert wurde er als Generalleutnant.

Namenswechsel

Lange beraten wurde über den Namen der Technischen Unteroffiziersschule, die der Minister für Nationale Verteidigung am 1. Dezember 1969 statt - wie zunächst vorgeschlagen unter dem Namen „Wilhelm Pieck“ - als TUS „Erich Habersaath“, einem Arbeiterführer, eröffnete. Zum Tag der NVA, am 1. März 1970, erhielt die Schule die Truppenfahne. Zum zehnjährigen Bestehen hatten 15 000 Unteroffiziere die Schule durchlaufen.

1978 begann die zusätzliche Ausbildung von Berufsunteroffizieren, die eine zwei- bis dreijährige Truppenpraxis besaßen, in einem sechsmonatigen Lehrgang zum Meister bzw. in einem Ein-Jahreslehrgang zum Fähnrich. Damit war der Start zur Fachschulprofilierung vollzogen. Zu Beginn der 1980er Jahre war sie in allen Bereichen der Schule abgeschlossen. Mit der Umbenennung der Schule in Militärtechnische Schule „Erich Habersaath“ zum 10. Jahrestag der Lehreinrichtung am 1. Dezember 1979 wurde die Zuerkennung des Status einer Fachschule auch symbolisch vollzogen. Mit der Fähnrichausbildung im Ein-Jahreslehrgang begann eine völlig neue Art der Ausbildung. Einen höheren Stellenwert erlangte die mathematisch-naturwissenschaftliche, ingenieurtechnische und Sprachausbildung. Mit Einzug der Mikroelektronik am Anfang der 1980er Jahre nahm der Einsatz von Computern, Simulatoren und Trainern zu. Am 1. September 1986 begann in vier Fachrichtungen ein zweijähriges Direktstudium für Fähnrichschüler zum Fachschulingenieur.

Sechs von zehn Fachrichtungen der Schule waren über viele Jahre hinweg in Block II etabliert.

Fachrichtung I – Sozialwissenschaften (Block III)
Fachrichtung II – Kommunikationstechnik (Block III)
Fachrichtung III - Raketentechnik und Bewaffnung (Block III)
Fachrichtung IV – Nachrichtentechnik (überwiegend Block III)
Fachrichtung V - Kfz-Technik (Block II)
Fachrichtung VI - Chemische Dienste (Block II)
Fachrichtung VII – Panzertechnik (Block II)
Fachrichtung VIII – Raketentruppen (Block II)
Fachrichtung IX – Militärmusik (Block II)
Fachrichtung X – Grundlagenausbildung (Block II)

Die Kommandeure

Generalleutnant Dirwelis, Erich 01.12.1969 bis 30.11.1984
Generalmajor Dörnbrack, Willi 01.12.1984 bis 30.11.1989
Oberst Weichbrodt, Peter 01.12.1989 bis 02.10.1990

TH 10-9

Lido-Verando

Im Abschnitt der heutigen Häuser Lido, und Verando etablierte sich im Jahr 1969 die Raketenausbildung sowie die Ausbildung Panzertechnik der Technischen Unteroffiziersschule.

TH 8-7

Flora-Natura

Vorrangig in den heutigen Häusern Flora und Natura wurde 1969 die Fachrichtung V der Militärtechnischen Schule (Kfz-Technik) eingerichtet. Das war gleichzeitig der Ausbildungsbeginn von Instandsetzungsgruppenführern und Schirrmeistern.

TH 6-5

Aurum-Aqua

Die meisten Spuren der Militärtechnischen Schule ließen sich bis in die Jahre 2013/14 im 1. Geschoss der heutigen Häuser Natura und Aurum finden – und zwar von der Fachrichtung X - Grundlagenausbildung (heutige Häuser Natura-Aurum) sowie der Fachrichtung VI - Chemische Dienste (heutige Häuser Aurum und Aqua).

TH 4-3

Düne-Avida

In diesem Trakt des Blocks II zeugten bis zur Entkernung im Rahmen der 3. Bauphase (Sanierung ab 2012) des Blocks etliche Spuren von einem Ort im Kalten Krieg. In der nach dem Krieg ausgebauten sogenannten Liegehalle führte im 2. OG eine unauffällige schmale, mit Eisengitter verriegelbare Tür in einen abgeschirmten Trakt hinein.

TH 2-1

Avella-Alando

Am 1. September 1975 eröffnete ein Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung den Lehrbetrieb in der Fachrichtung Militärmusik. Generalleutnant Erich Dirwelis konnte der Idee einer Musikschule innerhalb der Technischen Unteroffiziersschule (TUS) zunächst wenig abgewinnen.